Wenn man ins Pflegeheim will/muss …

1. November 2014 in Gesetzliche Pflegeversicherung, Private Pflegezusatztarife

Wer entscheidet eigentlich, ob ein stationärer Aufenthalt in einem Pflegeheim notwendig ist?

Nach einigen Recherchen lässt sich folgendes feststellen: es gibt dazu verschiedene Aussagen und Sichtweisen.

Primär ist die Pflege zu Hause zu gewährleisten. Fast jeder möchte so lange wie möglich zu Hause versorgt werden. Ist die Pflege durch die Pflegepersonen oder den Pflegedienst aus verschiedenen Gründen nicht mehr sichergestellt, kann bzw. muss der Pflegebedürftige natürlich in ein Pflegeheim verlegt werden.

Der MDK/Medicproof prüft bei der Erstbegutachtung, welche Leistungen beantragt wurden und ob diese dem Pflegebedarf entsprechen. Beispiel: hat der Pflegebedürftige einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt und Geldleistung angekreuzt, muss geprüft werden, ob ausreichend Pflegepersonen (Angehörige, Bekannte, Freunde, Nachbarn) für die Pflege zur Verfügung stehen. Sollte der MDK/Medicproof bei der Erstbegutachtung schon feststellen, dass dies nicht zutrifft, bewilligt er die Geldleistung nicht, sondern gleich die Sachleistung, damit ein Pflegedienst pflegen kommen kann. Genau so würde er auch prüfen, ob derjenige evtl. gleich in ein Heim müsste.

Wird der Pflegebedürftige nun in seiner häuslichen Umgebung gepflegt und es wird durch den Pflegebedürftigen selbst, durch die Pflegeperson oder den Pflegedienst festgestellt, dass die Pflege zu Hause nicht mehr ausreichend sichergestellt werden kann, wird die Pflegekasse informiert. Jetzt ist die Pflegekasse gefragt, zu handeln.

Der MDK prüft bei den gesetzlich Pflegepflichtversicherten erst, wenn die Pflegekasse den Auftrag erteilt. Es kann vorkommen, dass kein Auftrag erteilt wird, weil die Situation beim Pflegebedürftigen so klar ist, so dass dann der MDK in diesem Fall nicht prüfen würde. Wenn ein Auftrag durch die Pflegekasse erteilt wird, wird durch den MDK meistens nach Aktenlage geprüft, d.h. der Gutachter kommt nicht beim Pflegebedürftigen vorbei.

Vom Medicproof gab es folgende Aussage: „Die Beurteilung der Versorgungssituation bzw. eine Feststellung, dass eine häusliche Versorgung „nicht sichergestellt“ sei, fällt nicht in die Zuständigkeit von Pflegepersonen oder Pflegediensten, sondern ist ebenfalls Bestandteil des Gutachtens. Alle Informationen finden Sie in den Begutachtungsrichtlinien (unter Punkt D5.4 zur Versorgungssituation, unter D5.5 zur Erforderlichkeit vollstationärer Pflege).“ (s. Richtlinien am Ende des Beitrags)

Die privaten Versicherungsunternehmen, die Pflegezusatztarife anbieten, können den Medicproof so oft beauftragen, wie sie wollen, um Gutachten erstellen zu lassen. Der Medicproof weiß oftmals gar nicht, weswegen genau sie prüfen sollen. Das heißt: wenn im Bedingungswerk des Pflegezusatztarifes steht: „es wird in angemessenen Abständen die Pflegebedürftigkeit überprüft“, dann kann der Medicproof so oft beauftragt werden, den Pflegebedürftigen zu begutachten, wie der Leistungsprüfer das möchte.

FAZIT
Es gibt Pflegetagegeldtarife, die leisten 100% stationär in allen 3 Pflegestufen.

Beispiel: Man hat in der Pflegestufe 3 ein Tagessatz von 100 Euro (3.000 Euro monatlich) abgeschlossen. Unstrittig ist immer die Pflegestufe 3, weil die 100 Euro immer geleistet werden, egal, ob man ambulant oder stationär versorgt wird.

Wenn man allerdings in die Pflegestufen 1 oder 2 eingestuft wurde, erhält man je nach Anbieter ambulant in der Pflegestufe 1 z.B. 30%, also 30 Euro pro Tag (900 Euro monatlich) und in der Pflegestufe 2 60%, also 60 Euro pro Tag (1.800 Euro monatlich). Sollte man allerdings im Pflegeheim sein und die Pflegestufen 1 oder 2 haben, dann erhält man aus diesen Tarifen 100 Euro pro Tag (3.000 Euro monatlich). Das ist eine gute Regelung.

Die folgende Tabelle veranschaulicht den Sachverhalt noch näher:
Pflegestufe   ambulant       stationär     100% stationär   Debetsaldo
1                     900 EUR       900 EUR           3.000 EUR      2.100 EUR
2                 1 .800 EUR    1.800 EUR           3.000 EUR      1.200 EUR
3                 3.000 EUR    3.000 EUR           3.000 EUR                0 EUR

Gut geregelt ist, wenn das Bedingungswerk vorsieht: „wir leisten 100% stationär in allen 3 Pflegestufen“.

Leider machen einige Tarife hier Einschränkungen. Wenn es z.B. so ähnlich formuliert ist wie: „Voraussetzung dafür ist, dass die vollstationäre Pflege durch den Medizinischen Dienst der deutschen Pflegepflichtversicherung empfohlen und von der versicherten Person in Anspruch genommen wird.“
oder
„Für vollstationäre Pflege werden 100% des vereinbarten Pflegetagegeldes gezahlt, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheiten des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt.“
oder
„Wählt die versicherte Person vollstationäre Pflege, obwohl diese nicht erforderlich ist, wird das vereinbarte Pflegetagegeld gemäß Ziffer II.1.2 gezahlt. Maßgebend für die Frage, ob die vollstationäre Pflege erforderlich ist oder nicht, ist die Feststellung im Gutachten der Pflegepflichtversicherung.“

Da es anscheinend keine vollkommen einheitliche Regelung im gesetzlichen Bereich gibt, kann man genau derjenige sein, bei dem kein Gutachten erstellt wird und dieses nicht erstellte Gutachten kann auch nicht beim Versicherer einreicht werden. Das heißt, man bekommt lediglich die ambulanten Leistungen in den Pflegestufen 1 und 2 (30 oder 60 Euro) und nicht die 100 Euro (s. Tabelle oben, Spalte Debetsaldo).

Für die Maklerhaftung ist das ein wichtiger Aspekt, sich diese Formulierungen genau anzuschauen.
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Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches Stand 08_2013

D 5.4 Ist die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt?

Festgestellte Defizite in der häuslichen Pflege von mindestens erheblich Pflegebedürftigen – auch bei professioneller Pflege – sind hier darzustellen (vgl. Punkt D 4.0 / IV. „Begutachtungs- bzw. Bewertungsschritte“).

Der Gutachter hat sich zu orientieren
• an der Situation des Pflegebedürftigen,
• an den Belastungen und der Belastbarkeit der Pflegeperson,
• am sozialen Umfeld der konkreten Pflegesituation,
• an der Wohnsituation einschließlich möglicher Wohnumfeldverbesserungen des Antragstellers.

Der Gutachter muss sich darüber im Klaren sein, dass die Feststellung einer nicht sichergestellten Pflege tiefgreifend in familiäre Strukturen eingreifen kann. Grundsätzlich hat die häusliche Pflege Vorrang vor stationärer Pflege. Der Vorrang häuslicher Pflege hat dort seine Grenzen, wo, bedingt durch die familiären und sozialen Verhältnisse, eine angemessene Versorgung und Betreuung im häuslichen Bereich nicht sichergestellt ist.

Wird festgestellt, dass die häusliche Pflege auch bei Realisierung der im Gutachten (Punkt 6 „Empfehlungen an die Pflegekasse/Individueller Pflegeplan“ und Punkt 7 „Erläuterungen für die Pflegekasse“) gegebenen Empfehlungen nicht in geeigneter Weise sichergestellt werden kann, so ist zu empfehlen, dass – bei Laienpflege – ggf. professionelle häusliche Pflege in Anspruch genommen wird.

Hierbei kommen entweder die kombinierte Geld- und Sachleistung oder die alleinige Sachleistung in Betracht oder wenn auch dies nicht ausreicht teilstationäre oder vollstationäre Pflege. Wird vollstationäre Pflege empfohlen ist die Erforderlichkeit unter Punkt 5.5 „Ist vollstationäre Pflege erforderlich?“ im Formulargutachten zu begründen.

Da derartige Empfehlungen auch weit reichende Konsequenzen für den Pflegebedürftigen in Form des Entzugs der gewohnten Geldleistung und für die Pflegeperson in Form versagter Rentenversicherungsansprüche haben können, ist mit solchen Vorschlägen behutsam umzugehen.

Sofern eine akute Gefahrensituation abzuwenden ist, muss der Gutachter selbst unmittelbar Kontakt, z. B. mit behandelnden Ärzten, Pflegediensten, Sozialdienst oder Gesundheitsamt, aufnehmen. Die Umsetzung der weiter gehenden Empfehlungen des Gutachters liegt in der Verantwortung der Pflegekasse.

D 5.5 Ist vollstationäre Pflege erforderlich?
Die Erforderlichkeit ist generell zu prüfen und zu begründen, wenn mindestens erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt. Bei Pflegebedürftigen, bei denen die Notwendigkeit der vollstationären Pflege bereits in einem Vorgutachten festgestellt wurde ist die Frage mit „ja“ zu beantworten. Eine Begründung ist nicht erforderlich.

Liegen Hinweise vor, dass eine Rückkehr in die häusliche Umgebung möglich ist, sind diese zu benennen. Bei einem Antrag auf ambulante Pflegeleistungen und sichergestellter häuslicher Pflege (siehe Punkt D 5.4 „Ist die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt?“) ist die Frage mit „nein“ zu beantworten. In diesem Fall ist eine Begründung nicht erforderlich. Bei Versicherten, die bereits vor dem 01.04.1996 in einer vollstationären Pflegeeinrichtung lebten, wird die Notwendigkeit der vollstationären Pflege unterstellt. Liegt Schwerstpflegebedürftigkeit (Stufe III) vor, wird die Erforderlichkeit von vollstationärer Pflege wegen der Art, Häufigkeit und des zeitlichen Umfangs des Hilfebedarfs gleichfalls unterstellt.

Vollstationäre Pflege kann insbesondere erforderlich sein bei
• Fehlen einer Pflegeperson,
• fehlender Pflegebereitschaft möglicher Pflegepersonen,
• drohender oder bereits eingetretener Überforderung von Pflegepersonen,
• drohender oder bereits eingetretener Verwahrlosung des Pflegebedürftigen,
• Selbst- oder Fremdgefährdungstendenzen des Pflegebedürftigen,
• räumlichen Gegebenheiten im häuslichen Bereich, die keine häusliche Pflege ermöglichen und durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs. 4 SGB XI) nicht verbessert werden können.

Das Kriterium des Fehlens einer Pflegeperson bzw. der fehlenden Pflegebereitschaft möglicher Pflegepersonen sollte erst dann als erfüllt betrachtet werden, nachdem der Antragsteller auf die Möglichkeit zur Sicherstellung der häuslichen Pflege, Pflegesachleistung, teilstationäre Pflege oder Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen zu können, hingewiesen wurde.

Eine Überforderung von Pflegepersonen entsteht aus unterschiedlichen Gründen, wie z. B.:
• Die Pflegepersonen sind selbst betagt oder gesundheitlich beeinträchtigt.
• Die Entfernung zwischen dem Wohn- und Pflegeort ist zu groß.
• Die psychische Belastung, die durch eine Pflegesituation entsteht, wird individuell unterschiedlich verarbeitet. So kann bereits bei geringem Pflegeaufwand eine Überforderungssituation entstehen.

Droht ein pflegerisches Defizit durch Überforderung der Pflegeperson, so gilt das Kriterium als erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine absehbar zeitlich befristete Überforderungssituation der Pflegeperson unter Umständen durch Kurzzeitpflege oder teilstationäre Pflege des Pflegebedürftigen behoben werden kann.

Soziale Isolation kann Verwahrlosungstendenzen begünstigen. Anzeichen dafür können u. a. sein
• die Vernachlässigung der Körperpflege,
• unregelmäßige und nicht ausreichende Einnahme von Mahlzeiten,
• die Vernachlässigung des Haushaltes.
Diese Situation kann auftreten, obgleich die Durchführung der hierfür notwendigen Verrichtungen vom körperlichen Funktionszustand her möglich wäre.

Eine Selbstgefährdung kann vorliegen, wenn der Betroffene nicht oder nicht rechtzeitig im Falle des eintretenden akuten Hilfebedarfs Hilfe herbeiholen kann. Eine Selbstgefährdung kann auch dann vorliegen, wenn der Betroffene hochgradig verwirrt oder antriebsarm ist, den Realitätsbezug verloren hat, schwer depressiv ist oder Suizidtendenzen vorliegen. Selbstgefährdung kann mit Fremdgefährdung einhergehen. Insbesondere liegt Fremdgefährdung vor, wenn der Antragsteller die Übersicht im Umgang mit Strom, Gas und Wasser verloren hat. Für solche Gefährdungen müssen konkrete Hinweise vorliegen.

Räumliche Gegebenheiten im häuslichen Bereich, die ein wesentliches Hindernis für die häusliche Pflege darstellen können, sind z. B. die Lage von Toilette und Bad außerhalb der Wohnung, die fehlende Rollstuhlgängigkeit der Wohnung (z. B. infolge zu schmaler Türen von Küche, Bad und WC). Liegt eine entsprechende Situation vor, sollte zunächst geprüft werden, ob durch Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen häuslichen Wohnumfeldes die wesentlichen Hindernisse für die ambulante Pflege zu beseitigen sind und damit vollstationäre Pflege vermeidbar ist.

2. Pflegestärkungsgesetz

1. November 2014 in Gesetzliche Pflegeversicherung

Das zweite Pflegestärkungsgesetz
Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz soll noch in dieser Wahlperiode der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt werden. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken soll dadurch wegfallen. Im Zentrum steht der individuelle Unterstützungsbedarf jedes Einzelnen. Dadurch wird die Pflegeversicherung auf eine neue Grundlage gestellt.

Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz werden die Beiträge zur Pflegeversicherung nochmals um 0,2 Prozentpunkte angehoben. Durch diese beiden Beitragssatzerhöhungen aus dem 1. und dem 2. Pflegestärkungsgesetz stehen insgesamt fast fünf Milliarden Euro mehr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. Die Leistungen der Pflegeversicherung können dadurch um etwa 20 Prozent ausgeweitet werden.

Quelle: http://www.bmg.bund.de/pflege/pflegestaerkungsgesetze/pflegestaerkungsgesetz-ii.html, veröffentlicht am:18.06.2014

Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff & neues Begutachtungsverfahren
Das 1. Pflegestärkungsgesetz war schon der Vorbote, damit jetzt im 2. Schritt der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden kann. Die individuelle Situation des Pflegebedürftigen und deren Angehörigen soll mehr berücksichtigt werden und die Unterschiede zwischen körperlichen, geistigen und psychischen Einschränkungen im täglichen Leben sollen schwinden.

Es wird also ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff installiert und es soll damit auch ein neues Begutachtungsverfahren eingeführt werden.

Fünf Pflegegrade, die der individuellen Pflegebedürftigkeit besser gerecht werden
Statt 3 Pflegestufen soll es künftig 5 Pflegegrade geben. Eine geringe Beeinträchtigung wäre dann Pflegegrad 1 bis hin zur schwersten Beeinträchtigung = Pflegegrad 5. Hierbei spielt eine Rolle, was jemand noch alleine kann bzw. wo derjenige Unterstützung benötigt.

Irgendwie ist das nicht neu. Es wurde bisher auch kein Unterschied gemacht, ob jemand körperliche oder geistige Einschränkungen hatte. Auch ein Demenzkranker konnte bzw. kann in Pflegestufen eingestuft werden, weil er Hilfe bei den täglichen Verrichtungen bedarf. In diesen Fällen geht es dann mehr um die Anleitung zur Pflege als um die umfassende Hilfe.

Was vielleicht etwas fairer wird, ist die Erhöhung von 3 auf 5 Stufen/Grade. Wie oft befinden sich die Pflegebedürftigen „zwischen“ den Stufen, wo alle gern schon z.B. die Pflegestufe 1,5 gehabt hätten. Die Hürde zwischen den einzelnen Pflegestufen ist einfach zu groß.

Die Einstufung wird jetzt auch nicht mehr nach der zeitlichen Komponente untersucht, sondern nach Punkten. Diese sollen abbilden, in wie weit die Selbständigkeit der Person eingeschränkt ist. Es werden Aktivitäten in sechs pflegerelevanten Bereichen untersucht.

Jeder, der sich in den letzten Jahren mit den Tarifen der Pflegerentenanbieter beschäftigt hat, denkt unwillkürlich sofort an die ADLs (Activities of Daily Living / Aktivitäten des täglichen Lebens). Hoffentlich wird sich nicht zu sehr daran orientiert.

Die folgenden 2 Beispiele aus den Versicherungsbedingungen der Pflegerenten sollen die Befürchtung etwas verdeutlichen:
Der Pflegepunkt „Fortbewegen im Zimmer“ beinhaltet folgendes:
„Hilfebedarf liegt vor, wenn die versicherte Person, auch bei Inanspruchnahme einer Gehhilfe oder eines Rollstuhls, die Unterstützung einer anderen Person benötigt, um sich an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort auf ebener Oberfläche von Zimmer zu Zimmer fortzubewegen.“

Was bedeutet eigentlich „auch bei Inanspruchnahme einer Gehhilfe oder eines Rollstuhls“? Solange man die Gehhilfen, wie z.B. einen Rollator etc. oder den Rollstuhl noch selbst benutzen kann und keine Hilfe dabei benötigt, erhält man diesen Punkt nicht. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass man in der ersten Phase der Pflegebedürftigkeit noch relativ lange ohne Hilfe klar kommt. Bei der gesetzlichen Pflegeeinstufung spielt das bisher keine Rolle. Hier wird der Pflegebedarf festgestellt und hinterher eine Empfehlung für Hilfsmittel ausgesprochen, um sich den Alltag erleichtern zu können.

Beim Punkt „Waschen“ sieht es auch nicht anders aus:
„Hilfebedarf liegt vor, wenn die versicherte Person, auch bei Benutzung von Hilfsmitteln wie Wannengriff oder Wannenlift, sich nicht ohne Hilfe einer anderen Person so waschen kann, dass ein akzeptables Maß an Körperhygiene gewahrt bleibt.“

Hier ist auf die Formulierung zu achten: „auch bei Benutzung von Hilfsmitteln wie Wannengriff oder Wannenlift“, das ist so ähnlich formuliert wie bei „Fortbewegen im Zimmer“. Und „ein akzeptables Maß“ ist wohl immer eine Auslegungssache des Versicherungsunternehmens.

Damit mit der Einführung des 2. Pflegestärkungsgesetzes alles reibungslos klappt, wird das neue Begutachtungssystem vorher erprobt. Es wird 2 Modellprojekte geben, die durch den GKV-Spitzenverband koordiniert werden.

Mit der Umsetzung der Modellprojekte wurde bereits begonnen: zunächst werden die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung auf die neuen Regeln geschult. Anschließend werden insgesamt 4.000 Pflegebedürftige in ganz Deutschland, Erwachsene und Kinder, zu Hause und in Pflegeheimen begutachtet – und zwar nach den geltenden und den künftigen Regeln. Parallel wird durch Pflegekräfte begleitet und erfasst, welche konkreten Leistungen in Pflegeheimen mit welchem Zeitaufwand erbracht werden. Die Ergebnisse der beiden Studien werden Anfang 2015 vorliegen und können dann im Gesetzgebungsprozess zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs berücksichtigt werden.

Es sollte sichergestellt werden, dass die bereits eingestuften Pflegebedürftigen demnächst die richtige Einstufung in die neuen Pflegegrade erhalten, was hoffentlich kein allzu großes Chaos verursacht.

FAZIT
Die Änderungen in 2015 wird keiner groß merken. Ab 2017 werden die neuen Pflegegrade eingeführt, die Einstufungen vorgenommen, die Umstufungen von bereits bestehenden Stufen auf die neuen Grade müssen erfolgen.

UND: Wie werden die privaten Versicherungsunter nehmen reagieren, die jetzt schon Pflegezusatztarife anbieten bzw. werden sich neue VUs mit neuen Tarifen auf den Markt wagen? Wie werden diese Tarife aussehen? Und vor allem, wie werden sie kalkuliert sein? Muss man sich auf weitere noch höhere Beiträge einstellen?

Auf jeden Fall sollte heute schon bei der Kundenberatung und der Bedarfsermittlung darauf geachtet werden, Tarife zu vermitteln, die eine Anpassung der Tarife bei Änderung des SGB XI vorsehen, z.B. HALLESCHE, Württembergische, Allianz, Münchener Verein, Mannheimer (hier beim Pflegekostentarif).

1. Pflegestärkungsgesetz

1. November 2014 in Gesetzliche Pflegeversicherung

Quelle: http://www.bmg.bund.de/pflege/pflegestaerkungsgesetze/pflegestaerkungsgesetz-i.html vom 11.07.2014

Das erste Pflegestärkungsgesetz
1995 wurde das Pflegeversicherungsgesetz SGB XI eingeführt. Bis 2008, also 13 Jahre lang, gab es keine Änderungen oder Anpassungen des Pflegeversicherungsgesetzes. Erst mit der Pflegereform 2008 und dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) 2013 kam Bewegung in das Ganze. Nun kommen noch die beiden Pflegestärkungsgesetze heraus: das erste Pflegestärkungsgesetzt zum 01. Januar 2015 und das zweite Pflegestärkungsgesetz 1 Jahr später zum 01.01.2016.

Durch die Pflegestärkungsgesetze werden die Beiträge für die Pflegeversicherung in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Beitragssatzpunkte angehoben. Dadurch stehen fünf Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Insgesamt können die Leistungen aus der Pflegeversicherung um 20 Prozent erhöht werden.

Welche Veränderungen wird es im 1. Pflegestärkungsgesetz geben?
Die Leistungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen ausgeweitet und die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen erhöht werden. Zudem soll ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet werden.

Wie genau sehen die Leistungsverbesserungen aus?
Welche Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden erhöht?
Alle Leistungsentgelte werden um 4 % angehoben, um die Preisentwicklung über den gesetzlich vorgegebenen Zeitraum der letzten 3 Jahre zu berücksichtigen.

Tabelle_Pflegeleistungen_ab_1._Januar_2015_Stand_BT

Was verbessert sich für die Pflege zu Hause?
Die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können in Zukunft besser miteinander kombiniert werden. Statt bisher 4 Wochen sind bis zu 8 Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich, die Pflegekasse übernimmt dafür künftig bis zu 3.224 Euro, bisher bis zu 3.100 Euro.

Für die Verhinderungspflege gilt folgendes: Wenn der pflegende Angehörige krank ist oder eine Auszeit braucht, wird eine Pflegekraft oder Vertretung benötigt. Hier soll künftig unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu 6 Wochen in Anspruch genommen werden können statt bisher bis zu 4. Die Leistung wird von bis zu 1.550 Euro auf bis zu 2.418 Euro jährlich erhöht.

Die Leistungen für Tages- und Nachtpflege (teilstationäre Pflege) werden ausgebaut.
Wer ambulante Sachleistungen und/oder Pflegegeld bekommt, kann die Tages- und Nachtpflege daneben ohne Anrechnung voll in Anspruch nehmen. Beispiel: Bisher gab es für die Kombination von Tagespflege und ambulanten Pflegesachleistungen in Pflegestufe III bis zu 2.325 Euro. Nun sollen hierfür bis zu 3.224 Euro monatlich zur Verfügung stehen. Auch Demenzkranke profitieren erstmals von dieser Leistung.

Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote werden gestärkt.
Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen werden ausgebaut und auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Demenzkranke bekommen schon heute bis zu 100 oder 200 Euro/Monat (ab 1.1.2015: bis zu 104 oder 208 Euro/Monat). Künftig werden auch bei rein körperlicher Beeinträchtigung 104 Euro pro Monat von der Pflegekasse erstattet. Damit können Leistungen von Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Tages- und Nachtpflege und Betreuungsleistungen durch ambulante Pflegedienste oder nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Angebote finanziert werden. Es können aber auch anerkannte Haushalts- und Serviceangebote oder Alltagsbegleiter finanziert werden, die bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und der Bewältigung sonstiger Alltagsanforderungen im Haushalt helfen. Das können auch Pflegebegleiter der Angehörigen sein, die bei der Organisation und Bewältigung des Pflegealltags helfen. Und auch die Aufwandsentschädigung für einen, nach Landesrecht anerkannten ehrenamtlichen Helfer, kann damit bezahlt werden, der zum Beispiel beim Gang auf den Friedhof begleitet oder beim Behördengang unterstützt. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden (neue „Umwidmungsmöglichkeit“ in Höhe von bis zu 50 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags).

Die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel werden erhöht.
Hier werden die Zuschüsse deutlich gesteigert: von bisher bis zu 2.557 Euro auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Leben mehrere Pflegebedürftige gemeinsam in einer Wohnung, können sie statt bis zu 10.228 Euro jetzt bis zu 16.000 Euro pro Maßnahme erhalten. Das ist eine gute Sache, da die Umbaumaßnahmen natürlich immer ein hoher Kostenaufwand ist.

Die Zuschüsse zu den im Alltag verbrauchten Pflegehilfsmitteln werden von bis zu 31 Euro auf bis zu 40 Euro im Monat angehoben. Das reicht vorn und hinten nicht aus. Ein Paket Inkontinenz-Windeln (56 Stück) kostet 72 Euro. Wenn man bedenkt, dass man „nur“ 3 Stück am Tag benötigt, braucht man im Monat also mindestens 90 Stück, das heißt 1,5 Pakete und dann ist man mal eben schnell bei 108 Euro pro Monat. Ein Paket Krankenunterlagen 60×90 (Betteinlagen) (50 Stück) kostet 34,90 Euro. Diese braucht man meist zusätzlich. Hier muss nach wie vor einiges selbst dazu gezahlt werden.

Was wird zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen getan?
An den pflegenden Angehörigen wird auch gedacht. Immerhin wird viel Geld gespart, weil die Geldleistungen, die der Pflegebedürftige für die Laienpflege erhält, die geringsten Leistungen sind, die von den Pflegekassen ausgekehrt werden. Nicht auszudenken, was mit der Beitragshöhe und den Leistungen passieren würde, würden weniger Angehörige pflegen.

Wie oben schon ausgeführt werden die Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tages- und Nachtpflege ausgebaut und können besser miteinander kombiniert werden. Mehr zusätzliche niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote stehen zur Verfügung und die Zuschüsse für nötige Umbaumaßnahmen und zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel steigen.

Die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf soll verbessert werden. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden zur Finanzierung dieser Leistung 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Lohnersatzleistung soll in einem separaten Gesetz geregelt werden, das ebenfalls am 1.1.2015 in Kraft treten soll.

Was verbessert sich in den stationären Pflegeeinrichtungen?
Die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte soll sich von bisher rund 25.000 auf bis zu 45.000 Betreuungskräften erhöhen. Diese ergänzenden Betreuungsangebote sollen jetzt nicht nur den Demenzkranken wie bisher sondern allen Pflegebedürftigen zur Verfügung stehen. Das soll den Pflegealltag in den voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen verbessern. Auch von den Entgeltsteigerungen sollen die Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen profitieren.

Es ist von Betreuungskräften die Rede. Sind das Fachkräfte oder extra dafür ausgebildetes Personal? Falls es Fachkräfte sein sollten: woher sollen diese kommen? Wir haben jetzt schon massiven Fachkräftemangel.

Wie werden neue Wohnformen unterstützt?
Der Wohngruppenzuschlag, den Pflegebedürftige aus der Pflegeversicherung erhalten, wenn sie eine Pflegekraft in einer ambulant betreuten Wohngruppe mit mindestens drei Pflegebedürftigen beschäftigen, wird künftig auf 205 Euro pro Monat erhöht. Außerdem gibt es eine Anschubfinanzierung (bis zu 2.500 Euro je Pflegebedürftigen, maximal 10.000 Euro insgesamt je Wohngruppe) für die Gründung einer ambulant betreuten Pflege-Wohngruppe, die künftig einfacher in Anspruch genommen werden kann. Diese Leistungen stehen künftig auch Personen in der so genannten Pflegestufe 0 (insbesondere Demenzkranke) zur Verfügung. Auch der Zuschuss für Umbaumaßnahmen wird deutlich aufgestockt, Wohngruppen können künftig bis zu 16.000 Euro erhalten. Das hilft auch den neuen Wohnformen.

Was verbessert sich für Demenzkranke?
Der Leistungsanspruch von demenziell Erkrankten wird deutlich erweitert. Menschen, die in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind und deren Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufe I liegt (sogenannte Pflegestufe 0), hatten bisher nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch. Dieser wird jetzt erweitert: sie erhalten auch Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen sowie wird ihnen ermöglicht, die Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohngruppen zu bekommen.

Was verbessert sich für körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige (z. B. nach einem Schlaganfall)?
Vorwiegend körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige erhalten einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Bislang hatten nur Menschen mit einer auf Dauer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (also insbesondere an Demenz Erkrankte) einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI.

Pflegebedürftige, die stärker körperlich eingeschränkt sind – z. B. nach einem Schlaganfall – erhalten nun ebenfalls einen Anspruch auf entsprechende Leistungen: es werden die Kosten bis zur Höhe von 104 Euro monatlich bzw. 1.248 Euro pro Jahr erstattet.

Wozu dient der Pflegevorsorgefonds?
Mit dem Pflegevorsorgefonds sollen mögliche Beitragssteigerungen in der Zukunft abgefedert werden.

Pflege stärken heißt für auch, Pflege nachhaltig zu sichern. Um die Beitragsbelastung künftiger Generationen und der jetzt jüngeren Menschen in den Jahren zu begrenzen, in denen die geburtenstarken Jahrgänge ins „Pflegealter“ kommen, wird ein Pflegevorsorgefonds in Form eines Sondervermögens gebildet, der von der Bundesbank verwaltet wird. In diesen Fonds werden ab 2015 jährlich die Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (derzeit rd. 1,2 Mrd. Euro) eingezahlt. Ab dem Jahr 2035 kann dann jährlich über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren jeweils bis zu einem Zwanzigstel des angesammelten Kapitals an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung abgeführt werden, um so übermäßige Beitragssatzsteigerungen abzufedern.

Wie werden die Leistungsverbesserungen finanziert?
2015 wird der Beitragssatz in einem ersten Schritt um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent und 2,6 Prozent für Kinderlose steigen. Die vorgesehenen Leistungsverbesserungen werden mit den Einnahmen aus 0,2 Prozentpunkten (2,4 Milliarden Euro jährlich) finanziert. Davon fließen 1,4 Milliarden Euro in Verbesserungen für die Pflege zu Hause. 1 Milliarde Euro stehen für Verbesserungen in Pflegeheimen zur Verfügung. 1,2 Milliarden Euro pro Jahr fließen in einen Pflegevorsorgefonds. Dadurch sollen mögliche Beitragssteigerungen abgefedert werden, wenn ab 2034 die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen.