Pflegezusatzversicherung einmal anders betrachtet

17. August 2013 in Pflegeversicherung

Das Thema Pflegezusatzversicherung rückt immer Stärker in den Fokus der Versicherungswirtschaft. Einige Versicherer haben auch sehr gute Ansätze. Zahlreiche Ratings und Testberichte widmen sich ebenfalls dem Thema.

Bei diesen Ratings und Tests gibt es zwei Ansätze:

  • Welche Leistungspunkte werden erfüllt?
  • Wie hoch ist der Beitrag im Verhältnis zur versicherten Leistung?

Offensichtlich gehen die Ersteller dieser Tests und Ratings von einer perfekten Welt aus. Man unterstellt ganz offensichtlich, dass viele positiv geregelte Leistungspunkte auch eine unproblematische Leistungserbringung garantieren. So abwegig ist diese Vermutung ja auch nicht, denn in nahezu allen anderen Sparten ist das auch so.

Wenn man sich nun aber einmal anschaut, wie manche Versicherer die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistungen in den Versicherungsbedingungen regeln, dann kann einem schon angst und bange werden.

Ich habe natürlich Verständnis dafür, dass ein Versicherungsunternehmen sich und das Versichertenkollektiv in gewisser Weise schützen muss. Insbesondere dann, wenn es sich um ein relativ kleines Versicherungsunternehmen handelt.
Aber mein Verständnis hört da auf, wo die Regelungen in Bereiche abgleiten, die im Ernstfall für die Versicherten, die eine Leistung beanspruchen, zu unüberbrückbaren Hindernissen führen könnten.

Vor diesem Hintergrund habe ich mir einmal exemplarisch Versicherungsbedingungen angesehen und stelle bemerkenswerte Regelungen, die Nachfrage beim Vorstand der Versicherung, die Antworten auf meine Nachfrage und meine kritischen Anmerkungen/Wertungen dazu vor (Hervorhebungen von mir):

Soweit die erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz durch den medizinischen Dienst im Pflegegutachten festgestellt wurde, aus dem Pflegebescheid Ihrer Krankenversicherung oder dem Pflegegutachten des medizinischen Dienstes aber die genaue Ursache der erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz nicht eindeutig hervorgeht, behalten wir uns vor, den Feststellungen des medizinischen Dienstes erst dann zu folgen, wenn ein fachärztliches Gutachten die genaue Ursache bestätigt. Die durch das Einholen des fachärztlichen Gutachtens entstehenden Kosten und Aufwendungen werden Ihnen von uns erstattet, soweit die Begutachtung in Deutschland erfolgt ist.

Frage:

Verstehe ich Sie richtig, dass Sie der Einstufung bei Demenz nicht vollständig der Einstufung des MDK folgen? Sie möchten die genaue Ursache der erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz nachgewiesen haben? Das heißt, dass der VN hier auf jeden Fall noch zusätzlich zur MDK-Einstufung fachärztlich untersucht werden muss?

Antwort:

Wir folgen ausschließlich dem Leistungsbescheid der Pflegekasse; ist dieser nicht aussagefähig, folgen wir dem Gutachten des MDK. Nur bei einem Anspruch aufgrund einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz holen wir ein fachärztliches Gutachten ein und dies auch nur dann, wenn die Gründe für eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz aus dem Gutachten nicht eindeutig hervorgeht, was ein eher theoretischer Fall ist.

Tatsächlich begrenzen wir unsere Leistungspflicht in der sogenannten Pflegestufe 0 auf die Demenz, geistige Behinderung oder psychische Erkrankungen. Die von Ihnen angesprochene Regelung soll dem Kunden eine Rechtssicherheit dahingehend geben, wie zu verfahren ist, wenn weder der Leistungsbescheid der Krankenkasse noch das Gutachten des MDK bzw. von MEDICPROOF aussagefähig sind, und begründete Zweifel an dem Grund der attestierten erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz bestehen. Es bedarf also keiner zusätzlichen Untersuchung im Regel-, sondern nur im Ausnahmefall.

Wertung:

Warum wird dann diesem „Ausnahmefall“ ein so breiter Raum in den Versicherungsbedingungen eingeräumt?

Die Versicherung zweifelt damit das SGB XI an, dass der MDK also nicht in der Lage ist, lt. den Paragraphen 45a und 45b SGB XI eine Einschränkung der Alltagskompetenz festzustellen.

Die Gründe (!!!!) kann zurzeit kein Arzt feststellen, weil keiner weiß, wie Demenz etc. entstehen, aber die Versicherung will es wissen, klar!

Es muss doch bitte ausreichen, die Einschränkung der Alltagskompetenz festzustellen und man dann einfach Hilfe bedarf

Definition Alltagskompetenz des MDK:

Alltagskompetenz

Unter Alltagskompetenz versteht man, dass ein Erwachsener die alltäglichen Aufgaben

innerhalb seiner Kultur selbständig und unabhängig in einer eigenverantwortlichen Weise

erfüllen kann.

Die „Eingeschränkte Alltagskompetenz“ hat der Gesetzgeber mit Einfügen des § 45a in das

SGB XI versucht zu präzisieren, um den seit dem 01.01.2002 „Berechtigten Personenkreis“

festzulegen: Betroffen sind Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem

Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung ein

erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist. Dies sind

Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II oder III mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, mit

geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der Medizinische

Dienst der Krankenversicherung im Rahmen der Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge

der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens

festgestellt hat, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz

geführt haben.

Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist,

werden Bereiche aufgeführt wie z. B. Weglauftendenzen, Verkennen gefährlicher Situationen,

Unfähigkeit zur Kooperation oder Strukturierung des Tagesablaufs oder aber auch

anhaltende Zustände von Depression und Angst mit ihren Folgen.

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Sie haben uns den Eintritt des Versicherungsfalles anzuzeigen, sobald Sie von ihm Kenntnis erlangt haben. Wir sind nur dann zur Leistung verpflichtet, wenn Sie einen entsprechenden Antrag stellen und uns alle notwendigen Unterlagen zur Leistungsbeurteilung vorlegen. Hierzu zählen insbesondere das Gutachten des medizinischen Dienstes und der Pflegebescheid Ihrer Krankenversicherung.

Soweit es für die Beurteilung unserer Leistungspflicht erforderlich ist, kann es notwendig sein, dass Sie auf unser Verlangen die behandelnden Ärzte und die Angehörigen von Heilberufen, Ihre Krankenversicherung sowie Sozialversicherungsbehörden im erforderlichen Umfang widerruflich von deren Schweigepflicht, insbesondere hinsichtlich der Gesundheitsdaten befreien, sofern Sie uns die erforderlichen Angaben nicht selbst vorlegen können. Sollten Sie diese Obliegenheit nicht erfüllen, besteht die Gefahr, dass Sie eine Leistung erst nach Erfüllung der Obliegenheit erhalten.

Frage:

Es handelt sich also
nicht um eine abschließende Aufzählung? Der Kunde muss im Leistungsfall damit rechnen, immer neue Unterlagenanforderungen erfüllen zu müssen? Wozu benötigen Sie das Gutachten? Der Leistungsbescheid dokumentiert doch bereits die Einstufung. Und wann ist eine weitere Beurteilung der Leistungspflicht notwendig?
Wozu benötigen Sie diese Unterlagen?

Antwort:

Es ist nicht üblich, in Versicherungsbedingungen alle für eine Antragstellung im Einzelfall erforderlichen Unterlagen aufzulisten. Sie kennen vergleichbare Formulierungen auch aus dem Sachbereich, etwa der Unfall- oder Haftpflichtversicherung. Umgekehrt wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn über eine solche Klausel Unterlagen quasi aus Prinzip angefordert werden würden, obwohl sie zur Leistungsbearbeitung nicht notwendig sind. Damit Sie verstehen, was wir meinen, will ich Ihnen einige Beispiele für zusätzliche Unterlagen nennen:

Wir leisten nur auf Antrag. Ein solcher muss also vorliegen.

Wir leisten nicht auf Antrag einer Person, die nicht identisch mit dem Anspruchsberechtigten ist und die ihre Legitimation nicht nachweisen kann, denn immerhin geht es um Geldzahlungen. Wir brauchen in diesen Fällen also eine Vollmacht.

• Wir sind die einzige Versicherung, die mit ihrer Pflegeversicherung weltweit leistet. Hier kann es unter Umständen angezeigt sein, dass bei unklarer Antragslage im Übrigen und einem Aufenthalt unseres Kunden im Ausland wir eine Lebendbescheinigung anfordern, auf jeden Fall aber ein das MDKIMEDICPROOF ersetzendes medizinisches Gutachten.

Was die Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht anbelangt, so handelt es sich um eine Standarderklärung, wie Sie diese in allen Bedingungen für Kranken- und Pflegeversicherungen finden. Im Übrigen bleibt es dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person unbenommen, die für die Leistungsbeurteilung notwendigen Informationen auch selbst zu beschaffen und vorzulegen.

Wertung:

Alles nur „Blabla“. Was hat der Verweis auf den Sachbereich mit Pflegezusatz zu tun?

Alles in allem keine Antwort auf meine Frage.

Hier hat die Marktbeobachtung wohl nicht funktioniert. Es gibt noch weitere Anbieter mit einem weltweiten Geltungsbereich / weltweiter Leistung!

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Sie haben uns zur Überprüfung das Fortbestehen eines festgestellten Versicherungsfalles nachzuweisen. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn der medizinische Dienst in angemessenen Abständen das weitere Bestehen der Pflegebedürftigkeit überprüft und bescheinigt.

Frage:

Das ist spannend. Wie stellen Sie sich das in der Praxis vor? Der MDK führt keine Begutachtung durch, um das Fortbestehen der Pflegestufe zu überprüfen. Der halbjährlich durchzuführende Beratungseinsatz (Pflegeeinsatz) dient lediglich dazu, die ordnungsgemäße Pflege zu überprüfen. Dieser Einsatz wird auch nicht vom MDK, sondern von einem Pflegedienst durchgeführt. Aber wie gesagt wird hier nicht die Pflegebedürftigkeit überprüft.

Antwort:

Wie Sie wissen, können sich Pflegefälle über viele Jahre erstrecken. In zugegebenermaßen eher seltenen Fällen kann es zu einer Verbesserung der Situation kommen. Dies betrifft u.a. vorübergehende Pflegebedürftigkeiten nach einem Unfallereignis. Abgesehen davon ist es nicht so, dass wir vom Ableben eines Kunden gleichsam zwingend in Kenntnis gesetzt werden. Vor diesem Hintergrund brauchen wir immer wieder den Nachweis des festgestellten Versicherungsfalles.

Mit der Formulierung soll dem Kunden eine Erleichterung verschafft werden, um nicht neben einer Prüfung durch den MDKIMEDICPROOF noch einen weiteren Nachweis erbringen zu müssen.

Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob der MDK, wie Sie behaupten, keine Begutachtung zum Fortbestehen der Pflegestufe durchführt, was im übrigen in dieser generellen Form, beispielsweise in Fällen der befristeten Feststellung der Pflegebedürftigkeit

oder bei Hinzutreten weiterer die Einstufung in eine Pflegestufe beeinträchtigender Umstände, unzutreffend ist.

Wertung:

Der MDK kommt ausschließlich im Auftrag der Kranken- und Pflegekassen zur Begutachtung zum Pflegebedürftigen, und nicht, wenn ein privates VU das so möchte.

Im Falle einer befristeten Pflegebedürftigkeit endet die Pflegebedürftigkeit einfach zum festgelegten Ende. Sollte der Pflegebedürftige (!!!!) – und nicht die Pflegekasse und auch nicht das VU – der Meinung sein, er sei weiterhin pflegebedürftig, muss er selbst einen erneuten Antrag bei der Pflegekasse stellen.

Im Falle einer Höherstufung kommt auch der MDK zum Pflegebedürftigen, aber auch nur auf Antrag des Pflegebedürftigen, und nicht, wenn ein VU das meint. Und das VU hat ja wohl daran auch kein Interesse, höchstens an einer Runterstufung.

Und angemessen Abstände: was soll das sein? Willkür des VU?

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Allgemeine Antworten:

Wir hoffen, dass damit alle Zweifel an unserem Bedingungswerk ausgeräumt sind, und erlauben uns abschließend, auf die einschlägigen Bewertungen in Fachzeitschriften und durch unabhängige Ratings zu verweisen. In den nächsten Tagen wird ein weiteres Testergebnis bestätigen, dass
wir das beste Bedingungswerk und die beste Pflegeversicherung anbieten.

Bemerkung:

Schon amüsant. Von einschlägigen Regelungen reden, aber selber davon nur sehr rudimentär Ahnung zu haben.

Was nützt ein ansonsten gutes Bedingungswerk, wenn man im Nachgang die Hürde so hoch legt, dass der Kunde unter Umständen die ihm zustehenden Leistungen trotzdem nicht erhält?

Der letzte Satz zeugt von Ignoranz und Selbstgefälligkeit.

Bei der Bewertung einer Pflegezusatzversicherung sollte man die Bedingungen unbedingt bis zum Ende lesen. Man kann leider nicht davon ausgehen, dass alle Versicherer mit der Praxis des SGB XI vertraut sind.
Einen Versicherer, mit derart vielen Einschränkungen werde ich niemals meinen Kunden empfehlen. Der Tarif scheint mutmaßlich für die Testmatrix der Ratingagenturen und Hersteller von Vergleichsprogrammen optimiert zu sein. Wie oben erwähnt, werden die Hürden, die im Leistungsfall aufgebaut werden, dort nicht betrachtet.