Eine junge Frau fragt, ob es für Sie sinnvoll ist, jetzt schon eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) abzuschließen oder ob Sie bis zu Ihrer staatlichen Anerkennung als Erzieherin warten soll. Sie überlegt, ob Sie eine BU-Rente in Höhe von 1.000 EUR abschließen soll.
Die Frage, ob der Abschluss einer BU-Versicherung sinnvoll ist, lässt sich ganz klar beantworten. Meine Antwort an die junge Frau möchte ich hier einstellen, da sie vielleicht von allgemeinem Interesse ist:
Der Abschluss einer BU-Versicherung sollte grundsätzlich so früh wie möglich erfolgen. Es spricht aus meiner Sicht nichts dafür, bis zur staatlichen Anerkennung damit zu warten. Was die Höhe der versicherten BU-Rente angeht, sollte sich diese an Ihrem Einkommen orientieren. Wenn Sie also Ihr Nettoeinkommen zuzüglich Kosten für die Krankenkasse, die Sie ja komplett selber bezahlen müssen, wenn Sie berufsunfähig sind und zuzüglich einem leider nicht wirklich genau definierbaren Wert für die Steuern, die Sie beim Bezug einer BU-Rente zu zahlen haben versichern, liegen Sie hier ganz gut.
Bei den Versicherungsgesellschaften gibt es aber auch Höchstsätze, die versicherbar sind. Je nach Anbieter sind das 70% vom Nettoeinkommen bis 2/3 vom Bruttoeinkommen. 1.000 EUR sind davon unabhängig im Regelfall aber immer möglich.
Sie sollten unbedingt darauf achten, dass Sie die BU-Rente in den nächsten Jahren ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen können, weil sich nach Ihrer staatlichen Anerkennung im Normalfall ja Ihr Gehalt erhöhen wird. Zudem ist in Ihrem Alter auch noch gar nicht absehbar, wie sich Ihr weiterer Berufsweg entwickelt. Vielleicht studieren Sie ja später noch Pädagogik, erlangen damit einen höheren Abschluss und verdienen eventuell auch mehr. Oder Sie gehen in eine ganz andere berufliche Richtung. Daher ist es wichtig, dass in den Versicherungsbedingungen Erhöhungsmöglichkeiten der BU-Rente eindeutig geregelt sind.
Es gibt übrigens keinen gesetzlichen Versicherungsschutz für den Fall einer Berufsunfähigkeit! Nur bei einer Erwerbsminderung gibt es einen gesetzlichen Versicherungsschutz. Erwerbsminderung bedeutet, dass Sie gar keine berufliche Tätigkeit mehr ausüben können, sofern diese weniger als drei Stunden pro Tag beträgt (volle Erwerbsminderung) bzw. weniger als sechs Stunden pro Tag beträgt (halbe Erwerbsminderung). Der Anspruch ist aber an die Bedingung geknüpft, dass Sie bestimmte Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurück gelegt haben und somit überhaupt erst einmal dem Grunde nach ein Versicherungsschutz besteht. In Ihrem Alter dürfte sich das, wenn überhaupt, kaum nennenswert auswirken. Im Fall der Fälle, also bei einer vollen Erwerbsminderung, bleibt Ihnen nur die so genannte Grundsicherung. Wir sprechen hier von einem Betrag von (im schlechtesten Fall) 359 EUR monatlich.
Berufsunfähigkeit hingegen kann aufgrund „Krankheit“, „Körperverletzung“ oder „mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall“ eintreten. So formuliert es das Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Mit Beruf ist die vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübte berufliche Tätigkeit gemeint. Aber Achtung: Bereits hier gibt es je nach Versicherung sehr unterschiedliche und oft für den Versicherten nachteilige Regelungen.
Für die Zahlung der BU-Rente ist es gem. VVG erforderlich, dass der Beruf voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden kann. Im Regelfall wird hier ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten als „auf Dauer“ angesehen.
Diese Regelung ist für alle BU-Versicherungen gültig. Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechender Kräfteverfall müssen dabei keine Folge der Berufsausübung sein.
Sie sehen jetzt also, warum eine private BU-Versicherung so wichtig ist.
Eine BU-Versicherung sollte eine Leistungs- und Versicherungsdauer bis zum voraussichtlichen Eintritt der gesetzlichen Rente haben. Das ist momentan das 67. Lebensjahr.
Soweit die allgemeinen Punkte. Wenn es um die Auswahl des für sie bedarfsgerechten Tarifs/Anbieters geht, sind viele Kriterien zu bewerten. Hier stoßen Sie als Laie, genau wie mindestens 90% der Versicherungsvermittler, aber leider schnell an Ihre Grenzen. Kaum ein Verbraucher kann sich hinsetzen und alle am Markt vertretenen Bedingungswerke der einzelnen Versicherungsgesellschaften lesen und vergleichen. Und wie bereits angedeutet, können trotz diverser Vergleichsprogramme auch mindestens 90% der Versicherungsvermittler die entscheidenden Unterschiede nicht verstehen.
Geeignete Ansprechpartner für die Auswahl einer bedarfsgerechten Berufsunfähigkeitsversicherung sind Versicherungsberater und Versicherungsmakler. Jedoch nur, wenn der Tätigkeitsschwerpunkt auch den Bereich der BU-Versicherungen umfasst. Ob jemand Versicherungsberater, Versicherungsmakler oder Vertreter ist, muss er oder sie Ihnen beim geschäftlichen Erstkontakt schriftlich mitteilen. Überprüfen können und sollten Sie das unter Vermittlerregister
Wer in diesem Register nicht steht, darf Sie gar nicht beraten.
Was die einzelnen Kriterien angeht, möchte ich mich auf eine Auswahl beschränken, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt (Maßgeblich sind die Versicherungsbedingungen! Nicht die Hochglanzprospekte und keine mündlichen Aussagen des Beraters/Vermittlers):
- Wie ist der Beruf definiert?
Was gilt als zuletzt ausgeübter Beruf? - Sind Krankheit, Körperverletzung und Kräfteverfall (ohne Einschränkung auf „mehr als altersentsprechend“) als BU-Gründe genannt?
- Ist die Dauer der Beeinträchtigung definiert? (sechs Monate bestehende BU und zusätzlich alternativ voraussichtlich sechs Monate bestehende BU)
Wird die Leistung auch Rückwirkend erbracht? - Welche Möglichkeiten hat der Versicherer, Ihnen die Befolgung ärztlicher Anordnungen aufzuerlegen, damit Sie die BU-Rente erhalten (Hilfsmittel, Behandlungen, Operationen)?
- Kann der Versicherer Ihnen vorschreiben, dass Sie einen anderen Beruf ausüben müssen (abstrakte Verweisung) oder verzichtet er ausdrücklich darauf?
- Was geschieht hinsichtlich der Prüfung des zuletzt ausgeübten Berufs, wenn Sie vorübergehend oder länger aus dem Berufsleben ausscheiden?
- Wie wird ein Wechsel Ihres Berufs hinsichtlich des Anspruchs auf die BU-Rente geprüft?
- Ist die zumutbare Einkommensreduzierung im BU-Fall definiert?
Werden Ausbildung, Erfahrung und soziale Wertschätzung (Lebensstellung) geprüft und wenn ja wie sind diese definiert? - Erbringt der Versicherer seine Leistung, so lange Sie BU sind, unbefristet oder kann er seine Leistungen befristen?
- Welche Ausschlüsse bestehen?
Verkehrsdelikte?
ABC-Waffen / Strahlen?
Terror und Kriegsereignisse? - Gilt die Versicherung weltweit? Auch wenn Sie Ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen?
- Wird die BU-Rente dynamisch erhöht?
Auch garantiert im Leistungsfall (also bei bestehender BU)? - Gibt es klar geregelte Kriterien, wann und wie Sie Ihre BU-Rente ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen können?
Über den Autor: Thomas Kliem
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